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Entwicklung des Reparaturbereiches

 

Der letzte Abschnitt im Artikel von Werner Schuldt, für das Jahrbuch „50 Jahre Volkswerft Stralsund“ von Ortlieb und Strobel im Jahre 1998 weist daraufhin, dass es um 1994 herum angesichts der schwierigen Akquisition, d.h. der Finanzierung derartiger Aufträge schwierig bis unmöglich wurde weitere Reparaturaufträgen der russischen Fischer hereinzuholen.

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An diesem Werftstandort sind auch nach 1989 immer wieder Schiffsreparaturen ausgeführt worden. Wenn auch lange nicht mehr in dem Umfang wie zu DDR-Zeiten für die Sowjetunion. Es kamen aber immer wieder kleinere Einheiten zur Reparatur. Mit den 1989 stattgefundenen gesellschaftlichen Veränderungen in der DDR und der wenig später erfolgten Wiedervereinigung mit der BRD war dieser Bereich, wie alle anderen auch, den Gesetzen der Marktwirtschaft unterworfen.

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Aber in einem Zeitzeugeninterview v. 22.12.2022 schilderte der bis 1996 als Bereichsleiter tätige Koll. Werner Schuldt, über diese Nachwendezeit :

Die ersten Monate [nach 1989] unterschieden sich kaum von der Zeit vorher. Problematisch wurde das Ganze als der Handel der BRD mit der damals noch existierenden Sowjetunion, die dann allerdings auch schon zerfiel, als sich dieser Handel auf Basis von freien Valuten vollzog. Die Werft hat die Reparaturaufträge bei Schiffscommerz anfangs noch gegen Mark der DDR ausgeliefert. Die Währungsprobleme hat also Schiffscommerz anfangs mit SUDOIMPORT austragen müssen. Dabei konnte es im schlimmsten Fall passieren das SUDOIMPORT mit einer Reederei aus Riga Verträge abgeschlossen hatte auf Rubelbasis, diese Verträge aber nunmehr mit Schiffscommerz auf der Basis freier Valuten abwickeln sollte. Das heißt SUDOIMPORT muss dann Schiffscommerz Dollar oder D-Mark zahlen und erhielt dafür von Riga bei diesem Beispiel nur Rubel. Das Ganze führte dann dazu, dass die Verträge nicht bis zum Ende abgewickelt wurden. Wir hatten zum Beispiel den Supertrawler „Jurmala" fertiggestellt, wollten ihn ausliefern, SUDOIMPORT konnte nicht in Valuten zahlen. Das Schiff lag hier. Wir hatten es an Schiffscommerz verkauft. Es gehörte also Schiffscommerz. Es musste gewartet werden. Dafür hat Schiffscommerz noch mal an die Werft bezahlt. Auf diese Tour konnte man natürlich keine vernünftige Reparatur mehr abwickeln. Später haben wir Wege gefunden, um das Schiff zu verkaufen.

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Dass das sehr viel Aufwand gekostet hat lässt sich sicherlich denken. Wir haben auch versucht mit Hilfe westlicher Firmen reine Tauschgeschäfte zustande zu bringen, in der Weise, dass eine Reederei aus der Nähe von Kaliningrad große Mengen an Makrelen fing und an diesen westdeutschen Betrieb verkaufen wollte. Dieser westdeutsche Betrieb wollte diese Makrelen gegen Valuten vermarkten und wollte damit Reparaturen bezahlen, die wir für diesen Kaliningrader Betrieb ausgeführt haben. Alles unsichere Situationen, die wir einigermaßen mit Anstand und ohne größere Verluste abwickeln konnten.

 

Wir haben auch für eine Schwarzmeerreederei noch einige Supertrawler repariert. Wobei die Schwarzmeerreederei einen Teil des Preises direkt in Devisen aufbringen musste. 15 % waren damals, glaube ich, die Sätze. Der Rest wurde über die Kreditanstalt für Wiederaufbau kreditiert und irgendwie zwischen Schiffscommerz, SUDOIMPORT und der Kreditbank abgearbeitet. Auch das war ein unerhört schwieriges Problem, weil natürlich die russische Reederei, in diesem Fall die georgische Reederei kaum in der Lage war, diese Devisen aufzubringen.

 

Insgesamt trat ein Zustand ein, der dazu führte, dass der Bereich nicht mehr ausgelastet war. Das Reparaturvolumen wurde heruntergefahren. Leute mussten entlassen werden. Das Verhältnis der Zahl der Angestellten zur Zahl der Produktionsarbeiter musste sowieso günstiger gestaltet werden. Es wurden also laufend Leute in die Arbeitslosigkeit entlassen. Es war wohl die schwierigste Arbeit, die ich jemals zu erledigen hatte, wenn ich festlegen musste welcher Kollege aufgrund seines Könnens, seiner Betriebszugehörigkeit, seiner sozialen Bedingungen im Privatleben als nächster den Betrieb zu verlassen hatte. So etwas möchte ich nie, nie wieder erleben. In meinem jetzigen Alter besteht die Gefahr allerdings auch nicht. Aber es war furchtbar.

 

Der Umfang der Reparaturen wurde mehr und mehr reduziert und im Jahr 1995 entschied die Werftdirektion, dass die Reparatur eingestellt werden sollte. Das hat sich noch eine Weile hingezogen. Ich hatte dann den Auftrag, die Überleitung des übrig gebliebenen Restes in den Neubau zu organisieren. Es zog sich bis ins Jahr 1996. Zwischenzeitlich hatten wir mehrfach den Wechsel in der Leitung der Werft zu verkraften, was keineswegs zur Verbesserung der Moral beigetragen hatte. Am 25.10.1996 hat der Aufsichtsrat der Werft auf Vorschlag des damaligen ersten Geschäftsführers entschieden, die Leitungsebene „Bereichsleiter“ abzuschaffen. Daraufhin wurden alle Bereichsleiter am 27. 10. 1996 entlassen. Ihre Stellvertreter wurden unter anderem Namen in ihre Funktionen gehoben.

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Mit diesem Datum endete dann auch die berufliche Laufbahn des Kollegen Werner Schuldt auf der Volkswerft Stralsund. Der bisherige Stellvertreter musste nun die Aufgabe übernehmen, diesen Bereich weiterführen und ihm das Überleben zu sichern.

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Durch die gesellschaftlichen Veränderungen in der Sowjetunion wurden auch häufig Fischereibasen privatisiert. Die neue Leitung des Reparaturbereiches der Werft war somit gezwungen aus anderen Bereichen der maritimen Weltwirtschaft Reparaturaufträge zu akquirieren. Auf der Volkswerft sind auch nach der Wende 1989 immer wieder Schiffsreparaturen ausgeführt worden, nur nicht mehr so viele wie vor 1989 für die Sowjetunion. Auch waren die Schiffsgröße und der Reparaturumfang immer eine Nummer kleiner.

 

Die wesentliche Voraussetzung für die Auftragsakquisition war das Vorhandensein des Reparaturdocks. Mit diesem konnten z.B. in den Jahren 2000 und 2001 ca. 50 Schiffsreparaturen ein- und ausgedockt werden. Im 2. Quartal 2002 verlor der Bereich Schiffsreparatur aber die Fähigkeit mit diesen Arbeitsmitteln Aufträge auszuführen. Es begann mit dem Verkauf des Dockpontons am 29.04.2002, setzte sich mit den Verkäufen des Malerprahms und des 25-t-Schwimmkranes (SK) „Atlas“ am 6. Mai 2002 fort.

Der SK „Atlas“ war wegen andauernder fehlender Krankapazitäten im Bereich von der Neptunwerft Rostock gekauft worden.

Schwimmkran "Atlas"

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Vorhandene Kaikrane waren fast immer mit Neubauobjekten blockiert, häufig mussten erst die Schiffe verholt werden, damit Kranarbeiten an einem Reparaturschiff ausgeführt werden konnten. Da der Kran selber fest auf einem Ponton installiert war, konnte er mit den beiden Hauptmaschinen immer in die jeweilige Position manövriert werden.

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Mit dem Verkauf des Reparaturdocks im Juni 2002 fand die Umstrukturierung dieses Bereiches ein vorläufiges Ende. Ab 1996, mit Fertigstellung des neuen Schiffsliftes, konnte dieser Bereich weiterhin sehr erfolgreich zahlreiche Reparaturaufträge für sich gewinnen. Im Jahr 2001 wurden 7 Reparaturobjekte (Cap Arkona, Binz, Marco Polo, Netti Müsing, Nordwind (2x)) realisiert. Im Jahr 2002 wurden neben rd. 30 Schiffsreparaturen kleineren und größeren Umfanges, auch die Instandsetzung des britischen U-Bootes OTUS ausgeführt. Hier wurden Arbeiten durchgeführt, um es als Museumsschiff in den Hafen Saßnitz zu betreiben.

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Ein wohl sehr bemerkenswertes Reparaturobjekt war im September 2015 das Feuerschiff ,,Fehmarnbelt", 1908 als Dreimastschoner mit Notbesegelung in Dienst gestellt. Nach mehreren Umbenennungen wurde es 1984 außer Dienst gestellt. Später wurde es ein in Lübeck beheimatetes Traditionsschiff. Für notwendige Ausbesserungsarbeiten am Schiffsrumpf war es die Werft Nordic Yards Stralsund angelaufen.

Am 29. September 2015 berichteten die Lübecker Nachrichten in einem Artikel <Nach „Kur“: Feuerschiff ist zurück> das auch die Zwischenprüfung als Traditionsschiff erfolgreich überstanden wurde und das dieser Werftaufenthalt 22500 € gekostet hat.

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Foto : Feuerschiff für Lübeck e. V.

Foto : Feuerschiff für Lübeck e. V.

Eine Statistik zwischen 2002 und 2007 ergibt, dass in diesen 5 Jahren 222 Reparaturaufträge ausgeführt wurden. Dabei wurde der Lift an 433 Tagen belegt. Interessant ist vielleicht auch, dass eine Dockung (Ein- u Ausdocken) in 2014 mit ca. 9000 € angegeben wurde. Neben regelmäßigen Wartungsleistungen hatte der Energieverbrauch mit rd. 1,12 Mio kwh/Jahr den größten Anteil.

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In den Jahren 2008 – 2012 gelang es weitere 66 Schiffe für Reparaturarbeiten auf die Werft, inzwischen war es die P+S Werften GmbH, zu holen. 

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Mit der 2012 dann eintretenden Insolvenz konnte diese erfolgreiche Arbeit im gewohnten Umfang leider nicht mehr fortgesetzt werden. Bis zur Einstellung des Werftbetriebes als Neubau- und Reparaturwerft der durch den Verkauf des Werftgeländes an die Stadt Stralsund besiegelt wurde, wurden aber dennoch immer wieder vereinzelt Schiffsreparaturen durchgeführt. Erst mit der Schaffung des maritimen Gewerbeparks und der Ansiedelung der Fa. Shiprepair Stralsund befasste sich wieder ein Werftbetrieb ausschließlich mit Schiffsreparaturen, sehr erfolgreich sogar.

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